Erntearbeit der Kunden
(Vagabunden)

Spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zogen fremde Wanderarbeiter aus allen Gegenden Deutschlands nach Schleswig-Holstein und Mecklenburg um bei der Ernte mitzumachen. Kein Mensch scheint zu wissen wieso, doch sie nannten sich „Monarchen“ und wurden auch von anderen so genannt. Ein Erklärungsversuch geht davon aus, dass sie sich als Könige der Landstraßen fühlten. Die meisten kamen allerding aus den Hafenstädten Lübeck, Kiel und Hamburg. Einige kamen sogar aus dem Ausland überwiegend Polen.

Peter Wiebert, Beobachter der Szene in Norddeutschland geht davon aus, dass sie ab der Jahrhundertwende, meistens schon ab dem Monat Juli, arm und abgerissen, betteltend durch die Dörfer zogen. Einige versuchten auch sich durch Angeln in den nördlichen Binnenseen oder Dorfteichen Nahrung zu verschaffen. Doch, Kartoffeln, Möveneier oder Hühner waren nicht selten eine leichte Beute.

Eine andere Vermittlungsart fand zwischen der Mitte des 19. Jhs. und dem Zweiten Weltkrieg z. B. in Wesselburen statt: der so genannte „Menschenmarkt“. Jede Woche versammelten sich an bestimmten Tagen Hunderte von Monarchen, um sich von den Bauern taxieren zu lassen.

Der Lohn richtete sich nach der Art der Arbeit, die der einzelne Erntehelfer verrichtete. Anfang des 20. Jahrhunderts bekam ein Kommäher 100, ein Ausnehmer 70 und ein Garbenbinder 80 Reichsmark. Für „Hopfer“ (Bauer) und Monarch galten bei ihrem „Arbeitsvertrag“ im Prinzip ähnliche  Bedingungen. Beide Seiten mussten sich mit dem „Fetzer“, dem ortsansässigen Kneipenwirt bzw. Besitzer der „Monarchenwirtschaften“ gut stellen. Als Bindeglied zwischen beiden Parteien, kannte er die guten und schlechten Monarchen ebenso wie die guten und schlechten Bedingungen bei dem jeweiligen Bauern. Der suchende Bauer musste zu seiner Kundschaft gehören und bei ihm auch noch etwas verzehren und der Monarch musste seinen Verhältnissen entsprechend ebenfalls ein guter Kunde sein. Bei einer Einigung musste der Bauer 1 Mark Vermittlergebühr („Schindergroschen“) bezahlen.

Vgl. Wiepert, Peter: Die Monarchen auf der Insel Fehmarn, Berlin 1982, S. 29-36


Feiern bei und nach der Erntearbeit

Während der Erntearbeit gab es in der Regel ausreichend Alkoholisches. Bei den meisten Bauern den Tag über immer ein Krug mit Bier, das damals nicht so hochprozentig war wie heute. Und es gab auch immer mal einen Schnaps zu trinken – das gehörte sozusagen zum „Service“.

Gelegentlich wurde auch schon während der Enrtearbeit gefeiert – ein Grund fand sich immer. Peter Wiepert erwähnt ein solches „Kundenfest auf Fehmarn“, das wir aus rechtlichen Gründen nich vollständig erwähnen können. Er erwähnt  „Hein Kohrs von Sankt Pauli“ der auf der Quetschkommode „Tippelarien“ spielte, andere sangen Schlager oder ihre Kundenlieder wie zu Beginn des 20. Jh.:

‚Aujuste war ein Frauenzimmer in eener kleenen Stadt,
sie hatte von Liebe zunächst kenen Schimmer,
bis eenes Abends spat...’,

‚Weiß du, Mutterl, was mit träumt hat?’,

‚In Festungshaft der Dreyfuß schmachtet,
ihn hat ein bittres Los verbannt’ und
‚Sorgen, Sorgen alle Tage nur nach Bier und Branntewein’.

Beim romantisch aufgezogenen Kunden-Fest  sang auch „Hoppenmarkts-Atje“, ein Hamburger ‘Hafenlöwe’, plattdeutsche Lieder des Hamburger Droschkenkutscher Hein Bötel

Nicht wenige Monarchen versoffen oder verspielten aber ihren Lohn bereits direkt nach Beendigung der Erntearbeit. Entweder noch am Ort, spätestens aber in der nächsten größeren Stadt. Unter ihnen befanden sich auch immer Leute, die von Solidarität nicht viel hielten und durch Falschspielen oder Diebstahl manchen Monarchen seines Lohnes oder auch seiner Sachen entledigte. Gespielt wurde mit ‚Hadern’ (Spielkarten) zum Beispiel ‚Siebzehn und vier’, oder mit Würfeln.


Erntebier 

Nach der Erntearbeit wurde auf dem Lande häufig reihum gefeiert. Diese Abschlussfeiern waren von Ort zu Ort unterschiedlich. Peter Wiepert berichtet  über ein Erntebier auf Fehmarn, dass man dort aus Angst vor allzu unberechenbaren oder betrunkenen Monarchen (die ‚kotzten dann über den Schlips’), die Sache möglichst zügig erledigen wollte. So wurde in der großen ‚Döns’ des Bauernhauses das landesübliche Gericht: Weinsuppe mit Reis und Fleischzutaten genannt ‚Schöddelmeih’ gegessen. Es gab auch Bier und Schnaps und später wurde auch getanzt, doch möglichst zeitlich begrenzt. Andernorts z.B. in Ostholstein, zogen sich die unterschiedlichen Festivitäten durchaus bis in den Winter hin.

In einer Einsendung an das Freiburger Volksliedarchiv findet sich eine Schilderung aus der Sicht eines Musikers, der bei Festen, an denen keine Monarchen beteiligt waren, aufspielte.

Der holsteinische ‚Schommeisser’ (Schulmeister) Fritz Nehr, gleichzeitig der beliebteste Bierfiedler in seiner Region, spielte um 1800 mit einigen Genossen bei vielen derartigen Anlässen. In der aus Lehm gestampften Tenne einer Scheuer oder eines Kuhstalls wurden die Seitenwände gegen das Stroh hin mit groben Leintüchern verhangen, eine Tonne Bier aufgelegt, einige dünne Talgkerzen angezündet, die ein angenehmes Dämmerlicht gaben, an dem einen Ende ein Tisch aufgestellt, hinter welchem Nehr mit seiner Bande Platz nahm – und der Ballsaal war fertig. […] nach dem Feierabend strömten die Knechte und Mägde aus der Nachbarschaft zu. Vor den Musicis standen einige Teller zur Aufnahme des Geldes. Eine eigentliche Tanzordnung gab es nicht; sie bildete sich nach dem Ansehen und dem Range der Knechte von selbst. Der jedesmalige Vortanzende trat an den Musikantentisch, that einen derben Faustschlag darauf und bestellte sich seinen Tanz: einen Walzer, Hopsa oder Zweitritt, einen Schott’schen oder Pol’schen, indem er die Melodie seines Lieblingstanzes vorsang und einen Doppelschilling – den üblichen Musenlohn – in den Teller warf. Dann fiel die Musik, meistens aus Geige, Klarinette und Handtrommel bestehend, rasch ein und spielte fort, bis wieder ein anderer Vortänzer an die Reihe kam. Die Bauernburschen hielten ihr Mädchen fest an sich gedrückt, so dass die brennende Pfeife, die selten fehlen durfte, der Tänzerin über die Schulter herabhing. Je größer das Gedränge, dass sich die Tanzenden kaum bewegen konnten, desto höher der Genuß. Schulmeister Nehr und Genossen spielten auf, unermüdlich, solange die Schillinge flossen; gegen das Ende der Nacht nickten sie oft ein, und der Kopf sank auf die Geige, während die Hand mechanisch fortfuhr, mit dem Bogen über die Saiten zu streichen.






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