Das Grab
Langsam / Volksweise
1. Das Grab ist tief und Stille,
und schauderhaft sein Rand;
es deckt mit schwarzer Hülle
ein unbekanntes Land.
2. Das Lied der Nachtigallen
Tönt nicht in seinen Schooß;
Der Freundschaft Rosen Fallen
nur auf des Hügels Moos.
3. Verlassne Bräute ringen umsonst
Umsonst die Hände wund;
Der Waise Klagen dringen
Nicht in der Tiefe Grund.
4. Doch sonst an keinem Orte
wohnt die ersehnt Ruh;
Nur durch die dunkle Pforte
geht man der Heimath zu.
5. Das arme Herz, hienieden
Von manchem Sturm bewegt,
erlangt den wahren Frieden
nur wo es nicht mehr schlägt.
Geschichte / Kommentar:
Das Gedicht schrieb Joh. Gaudenz v. Salis-Seewis
1783. Die Melodie komponierte 1822 H. G. Nägeli.
Franz Magnus Böhme meint dazu:
„Zu bezweifeln ist, daß dieser Text
viel gesungen worden ist. Der Koran sagt: Gräber sind die
Bergspitzen einer fernen, schönen Welt“. Das ist gewiß
trostvoller und poetischer als der Inhalt des weitverbreiteten Liedes
von Salis. Viel gebraucht als Denkspruch in geistl. Reden ist die
Schlußstrophe.“
Trotzdem befindet sich das Lied in einigen
Liederbüchern des 19. Jahrhunderts, Silcher schrieb eine Melodie
dazu und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben gefiel es zumindest
so, dass er es in seine „Deutsches Volksgesangbuch“ aus dem
Jahre 1848 aufzunehmen. Doch damit nicht genug, er verfasste auch die
folgende Parodie auf die Situation um 1841 im zweiten Band seiner
„Unpolitischen Lieder“:
Guter Rath.
Mel. Das Grab ist tief und stille
1. Die Frösche mit den Unken,
Wie sie so schrecklich schrei’n!
Ich kann vor dem Hallunken
Nicht ruhig schlafen ein.
2. Sollt’ ihnen Freiheit fehlen?
Ach nein, das kann nicht sein:
Wer wird darum sich quälen?
Danach so
schrecklich schrei’n?
3. Macht’s doch, ihr Frösch’ und
Unken,
Wie wir, und trinket Wein!
Denn habt ihr erst getrunken,
so laßt ihr auch das Schrei’n.
4. Ihr werdet Lieder singen
Vom freien deutschen Rhein,
Und dann vor allen Dingen
Auch ruhig schlafen ein.
Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben,
Unpolitische Lieder II. Hoffmann und Campe, Hamburg 1842, S. 32.
Liederbuch der Tübinger Hochschule, 2. im
Anhang vermehrte Auflage. Ernst Traugott Eisert Verlag, Tübingen,
1843, S. 285.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben,
Deutsches Volksgesangbuch, Leipzig 1848, Reprint Olms Verlag,
Hildesheim 1975, Nr. 24, S. 22
Franz Magnus Böhme, Volkstümliche Lieder
der Deutschen im 18. und 19. Jh., Leipzig 1895 (Reprint Olms Verlag,
Hildesheim 1970), Nr. 777, S. 595
Der Sänger. Neuestes und vollständigstes
Liederbuch für das deutsche Volk, Verlag und Druck von F.
W.Rietak, Neue Friedrichs-Str. 34, Berlin o.J. Nr. 1054, S. 689 (5
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