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Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Deutsches Kundenlied

1. Weißt Du wieviel Kunden (1) laufen
Auf der Welt und Soruff (2) saufen,
Wieviel Tippelschicksen (3) streichen
In dem ganzen deutschen Reiche?
Denn die Bettelmusikanten,
Die Zigeuner und Schnurranten,
Die gehören garnicht mehr
In das deutsche Kundenheer.

2.  Weißt Du, wieviel Tappenreiter, (4)
Die als Katzhoff, Pflanzer, Schneider,
Kellner, Säger und Skribenten,
Sich als solche tun benennten, (5)
Mausfallskrämer und Hausierer,
Auch Seiltänzer, Orgelspieler,
Alle zieh’n mit ihren Sachen,
auf großen und kleinen Straßen.

3. Weißt Du, wievel Kunden sitzen,
Auf der Flöt (6) und Trübsal schwitzen,
Wo sie hinter Schloß und Riegeln
Müssen sich kaput schenigeln: (7)
Endlich schickt man sie hinaus,
Mit dem Todtenschein (8) nach Haus;
Denn in diesen windigen Orten
Ist noch keiner besser geworden.

4. Weißt Du, wievel linke Fleppen (9)
Dufte (10) Kunden mit sich schleppen?
Manche sind so fein zinkiert, (11)
Daß der Schucker (12) nichts dran spürt,
Wieviel Kunden, wieviel Schicksen,
Zupfen (13) hier die Opferbüchsen,
Grad als ob für ihre Kehlen
Noch das Geld für Soruff fehle.

5. Wer kann all die duften Pennen (14)
In dem deutschen Reiche nennen,
Wo die Schicksen und die Kunden
Kommando schieben (15) viele Stunden,
Wo man wird beim Penneboos (16)
Talf- und Zottelware (17) los,
Wo das Kümmelblatt floriert,
Manchen linken Scheeks (18) verschmiert.

6. Und der Herbst mit seinen Segen
Kommt den Kunden ganz gelegen.
Seht, wie sie vor Freude springen,
Und dabei das Liedchen singen:
Fort nach Spanien (19), fort nach Süden


Wo die Hopfenstöcke blühen,
Wo sich tausende von Kunden
haben wieder eingefunden.

7. Alles, was er hier geschrieben,
Hat der Kunde selbst getrieben,
Bis nach Friedberg (20) er gekommen,
Wo man ihn hat hopp genommen.
Seinen Namen sagt er nicht
Hier in diesem Zunftbericht.
Er ist seinem Zunft und Stand
Nur als Katzenkopf (21) bekannt.

8. Und im wunderschönen Lenz,
Schwingt der Kunde seinen Stenz, (22)
Trinkt mit seelenvoller Miene
Aus der vollen Karoline, (23)
Bläßt aus seinem Schmochfing Düfte,
In die blauen Morgenlüfte,
Schwingt die Mütze und den Hut:
„Hoch leb’ echtes Kundenblut!“


Wörterbuch
1  Wanderbettler
2  Schnaps
3  Wandernde Bettlerin
4  Auf falschen Papieren Reisende
5  sich als Kellner, Säger und Skribenten (Schreiber, Schriftsteller) ausgeben = Um größere Beträge betteln.
6  Arbeitshaus.
7  Arbeiten.
8  Entlassungsschein.
9  Falsche Papiere
10  Schlau.
11  Gestempelt.
12  Polizist
13  Bestehlen.
14  Herbergen.
15  Wochenlang die Umgegend abbetteln.
16  Herbergsvater.
17  Geschenktes und Gestohlenes.
18  Schicksenbegleiter.
19  Spalt, bayerische Hopfenstadt.
20  Kreisstadt (Wetteraukreis) im Reg.Bez. Darmstadt, Hessen (ein bayerischer Ort gleichen Namens scheidet aus.)
21  Schlosser.
22  Stock
23  Schnapsflasche
Andere Titel: 
Text: unbekannter Handwerksbursche,
Melodie: Weißt du wieviel Sternlein stehen,
Noten:
Vorlage:
Kategorie: Vagabund Kunde Monarch, Vom Kaiserreich zum 1. WK,
Zeit: um 1900,
Varianten: 
 
Geschichte / Kommentar:

Der Text des Liedes, das auf die bekannte Melodie „Weißt Du, wieviel Sterne stehen“ getextet wurde, stammt von einem handschriftlichen Blatt, das der Liedersammler Otto Böckel am 17. Februar 1880 in der Handwerksburschenkneipe Gießen abgeschrieben hat. Ihm wurde gesagt, es habe „ein verkommener Pfarrerssohn aus Halle a. S. verfaßt, der aus Dankbarkeit das Lied in die Penne stiftete. Jedenfalls rührt es von einem Manne her, der Humor genug besaß, sein Elend poetisch aufzufassen. Wenn Avé-Lallemant (Deutsches Gaunerthum I, 207) sagt: ‘Nie hat ein Bettler oder Gauner sein kaltes Elend soweit bekämpfen und vergessen können, daß in seiner Brust ein poetischer Gedanke lebendig gewuchert und sich zu poetischer Form gestaltet hätte’, so ist dieses Lied ein Beispiel, daß ein Einzelner auch im trostlosesten Elend noch zu dichten vermocht hat.“

Daß der Text bei mehreren Strophen nicht auf die Melodie paßt, hatte Ostwald nicht gestört, es in ähnlicher Art abzudrucken. Nach Peter Rolands erstem Versuch die Zeilen passender zu machen folgt hier der zweite, umfangreichere, in dem auch die negativen Aspekte krimineller Energie nicht verschwiegen werden.



Quelle:

Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein, Bd. 3, Leipzig / Berlin 1907, S. 28ff. (nach Deutsche Volkslieder aus Oberhessen von Dr. Otto Böckel; soll von einem verkommenen Pfarrerssohn stammen.)


 
 
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