Wer nie sein Brot mit Gypsmehl aß,  
    
    
        Wer nie bei schwerspathvollen Klößen  
    
    
        Und kreideschweren Nudeln saß,  
    
    
        Vor dem will ich mein Haupt entblößen,  
        
    
    
        Ihn fragen, fröhlich im Gemüth,  
    
    
        Woher sein Weib das Mehl bezieht 
    
    
        
 
    
    
        Emil Jacobsen.  
    
    
        
 
    
    
        
 
    
    
        Pro domo  
    
    
        
 
    
    
        Unverfälschten Handschlag und Gruß den 
        Fälscherbrüdern allerorts zuvor!  
    
    
        
 
    
    
        Wenn wir in ernster Zeit, die aus uns ein 
        gehetztes Wild machen will, vor Euch mit einem Liederbuch erscheinen, 
        so werden nur die Kleinmüthigen und die minder Gebildeten unter 
        Euch fragen: „Was soll uns dies!“ Euch Anderen aber wir 
        Euer Scharfsinn schon gesagt haben, daß dieses Buch, im Geiste 
        unserer schönen Kunst geschrieben, zum Mittel werden muß, 
        uns über unseren Krach hinweg zu helfen. Oder giebt es ein 
        besseres Fälschungs- und Verdünnungsmittel für den 
        Trübsinn als Lachen und Singen?  
    
    
        
 
    
    
        Daß unsere Sache endlich siegen wird und 
        muß, sollen einige Worte über den gegenwärtigen Kampf 
        beweisen. Was ist falsch und was ist echt? - wo ist das Sein und wo der 
        Schein allein berechtigt? Idealismus und Pessimismus,  
    
    
        VIII 
    
    
        fälschen sie nicht beide die Wahrheit? Von 
        Muhamed, der Millionen seiner Gläubigen einen Himmel, erfüllt 
        mit fleischlichen Genüssen fälscht, bis zu dem inmitten von 
        Goldhaufen darbenden Geizigen, der sich selbst betrügt; vom 
        uralischen Goldgrubenbesitzer, der auf die Echtheit und 
        Unvergleichlichkeit seines nachgemachten Champagners schwört, weil 
        er acht Rubel für die Flasche zahlte und das Etiquett von der 
        Veuve Cliquot fabelt, bis herb zu dem armen Mütterchen, der die 
        braune Brühe, welche sie aus torfverfälschter Cichorie sie 
        bereitet, köstlicher schmeckt, als der beste Moccaaufguß - 
        sehen wir Fälschungen, die nicht nur das Nützlich mit dem 
        Angenehmen verbinden, sondern bei denen man auch nicht weiß, auf 
        welcher Seite der größere Betrug liegt, und deren Existenz 
        Berechtigung verdient, wenn wir das Wort des Philosophen unterschreiben:
         Alles was ist, ist auch vernünftig. Die Phantasie fälscht 
        unsern Verstand, die Leidenschaften den rechten (normalen) Gang unseres 
        irdischen Treibens, und doch zucken wir mitleiig die Achseln über 
        phantasie- und leidenschaftslose Menschen. Wir wissen, daß dem 
        Geschwisterpaar Phanasie und Leidenschaft ausschließlich die 
        freien Künste Ursprung und Bestand verdanken, und wenn Auge und 
        Ohr des Kunstkenners beim Hochamt in St. Peters=Dom in Entzücken 
        schwelgen - was Anderes,  
    
    
        IX 
    
    
        als Ablaßzettel schufen all die Pracht! 
        Gäbe es Gerechtigkeit in der Welt, unsere Frage wäre nicht 
        müssig: warum die menschliche Gesellschaft gerade uns ächtet? 
        Wozu der Lärm und Sturm, als stände die Welt vor einem neuen 
        Feinde, wie die Kartoffel vor dem Coloradokäfer, der Weinstock vor 
        der Reblaus?! Schmäht man die Laus als nicht existenzberechtigt, 
        so greift man damit - fragt nur irgend welchen Pfaffen - frevelhaft die 
        göttliche Ordnung der Natur an. Jeder Naturforscher wird den sog. 
        Moralisten beweisen, daß jegliches Thier (und jegliche Pflanze) 
        seinen ihm eigenthümlichen Schmarotzer besitzt, der Freud und Leid 
        mit seinem Wirthe theilt, und ihm nicht nur Lust, sondern auch 
        Vergnügen schafft.1 Und wir, denen der Titel Schmarotzer der 
        Menschheit ein Ehrentitel ist, sollen geringere Berechtigung zum Leben 
        haben, als eine unvernünftige Laus?! Was die Naturwissenschafter 
        aber nicht beantworten könnten, trotz Darwin, ist die Frage: wer 
        ward früher geschaffen, der Schmarotzer oder sein Wirtz? Und ist 
        der Floh im Besitz des Hundes oder der Hund im Besitz des Flohes? - Es 
        beweist dies, daß unsere prähistorisch Existenz unser Recht 
        zu leben historisch gemacht, daß Verjährung ein vermeint- 
    
    
        X 
    
    
        liches Unrecht unseres Daseins in Recht verwandelt 
        hat.  
    
    
        
 
    
    
        Ist nicht das alte Testament bereits auf unserer 
        Seite? Finden wir nicht schon im 1. Buche Mose Cap. 27 genau angegeben, 
        wie der Erzvater Jakob sich den Segen Isaaks erfälschen durfte? - 
        ungestraft! Denn schon im nächsten Capitel darf er 
        wahrheitsgemäß träumen, daß seine Nachkommen 
        ausgebreitet werden sollen, wie der Staub auf Erden gegen Abend, 
        Morgen, Mitternacht und Mittag - täglich in vier Ausgaben, wie 
        eine große Zeitung!  
    
    
        
 
    
    
        Auch für Uebervortheilung, welche sich Jakob 
        durch ein Gericht Linsen seinem Bruder Esau gegenüber schuldig 
        machte, würde heute sich ein Paragraph des Strafgesetzbuches 
        auffinden lassen.  
    
    
        
 
    
    
        Wenn im Laufe der Jahrhunderte das Gefühl 
        für die Berechtigung unserer Kunst innerhalb der menschlichen 
        Gesellschaft verloren ging, so sind wir nicht daran schuld; man 
        müßte uns denn nachweisen können, daß es einen 
        Zeitraum gab, wo unsere Kunst nicht geblüht hätte.  
    
    
        
 
    
    
        Dies nachzuweisen wird Niemand im Stande sein.  
    
    
        
 
    
    
        Bei den alten Deutschen gehörte der Kaufmann 
        (Krämer) gleich dem Henker zu den unehrlichen Leuten, weil unsere 
        Vorfahren nicht zu begreifen vermochten, wie Kaufleute ohne Betrug 
        bestehen könnten. Dies spiegelt sich in den deutschen 
        Sprüchwörtern:  
    
    
        XI 
    
    
        Ein Kaufmann sollte wohl seinen eigenen Vater 
        betrügen,  
    
    
        Ein Kaufmann mag schwerlich ohne Sünde 
        handeln,  
    
    
        Man muß entweder Kaufmann oder Dieb sein,  
    
    
        Kaufleut, verschmitzte Leut,  
    
    
        Es ist kein Kaufmann, der nicht Mäusedreck 
        für Pfeffer verkaufen kann 
    
    
        
 
    
    
        Und das noch heute gültige Sprüchwort  
    
    
        
 
    
    
        Wer gerne tauscht, täuscht gern,  
    
    
        
 
    
    
        stammt sicher aus einer Zeit, wo der Gebrauch des 
        Geldes als Tauschmittel sich erst einzubürgern begann. Der Henker 
        konnte zu einem unfähigen Knechte sagen: „Gehe hin, werde 
        ein Krämer, ein Dieb!“ 
 
    
    
        
 
    
    
        Die fortschreitende Cultur hat den Kaufmann 
        ehrlich gemacht und ihn vom fälschenden Krämer unterschieden, 
        wir aber leben der Hoffnung, de Zukunft werde auch den Fälscher 
        ehrlich machen, wenn auch unter der Bedingung des spartanischen 
        Gesetzes, sich beim Fälschen und betrügen nicht erwischen zu 
        lassen. Soll aber der Fälscher ehrlich gesprochen werden und 
        gleichberechtigt in der Gesellschaft dastehen, so darf er nicht 
        müssig die Hände in den Schoß legen, sondern er 
        muß sich eine solche Stellung durch Arbeit erringen. Er muß 
        mit einem Worte mit den Fortschritten von Kunst und Wissenschaft 
        gleichen Schritt zu halten suchen - er muß Kunstfälscher 
        oder Falschkünstler werden. Das  
    
    
        XII 
    
    
        geistige Proletariat der Fälscherwelt braucht 
        darum immer noch nicht an einem erfolgreichen Kampf ums Dasein zu 
        verzweifeln, ihm bleibt das Heer der Dummen, und wie bekannt, 
        „werden die Dummen nicht alle“. Euch Anderen aber rufen wir 
        zu: Eure Antwort auf Reichsgesundheitsamts- und Polizei-Umtriebe, auf 
        die Angriffe der Chemiker und Vereine, die uns bekämpfen, sei  
    
    
        
 
    
    
        Die Gründung einer Fälscherakademie.  
    
    
        
 
    
    
        Wenn gegenwärtig Gevatter Schneider und 
        Handschuhmacher es zur Gründung von Akademien gebracht haben, 
        liegt wahrlich kein Grund vor, daß wir nicht auch eine solche zu 
        Stande bringen könnten. An Lehrkräften wird es nicht fehlen; 
        wir besitzen in allen Zweigen unserer Kunst die vortrefflichsten 
        Vertreter und unsere Lehrkräfte werden den Vorzug vor denen 
        anderer Hochschulen besitzen, zu ihrem Amt geboren und nicht durch 
        Vetternschaft auf ihre Stühle gelangt oder vom Vater zu einem 
        Beruf bestimmt zu sein, zu dem sie kein Talent besitzen. -  
    
    
        
 
    
    
        Unsere Gabe zur Gründung einer freien 
        internationalen Fälscherakademie sei diese Anregung; Ihr mögt 
        die nöthigen Geldmittel dazu an uns einsenden.2 (2)  
    
    
        
 
    
    
        Anmerkungen:  
    
    
        1) Siehe v. Beneden, Die Schmarotzer des 
        Thierreichs. Leipzig, Brockhaus 1876.  
    
    
        2) Falsche Kassenscheine und Münzen aus 
        Compositionsmetall könne für diese Zweck nicht verwerthet 
        werden.